London-Edinburgh-London 2009


Ein Bericht von Ralf :
Der diesjährige Saison-Höhepunkt stand an: London- Edinburgh- London. Nach den 1200 km von 2007 (P-B-P) sollten es diesmal 1400 sein. Nicole, Klaus und ich wollten das Abenteuer wagen. Ingo aus Berlin war auch da. Wolfram konnte wegen gesundheitlicher Probleme leider nicht teilnehmen.
Da ich schon öfters in Großbritannien Rad gefahren war, wußte ich, was uns erwartete: Linksverkehr, sehr häufig wechselndes Wetter, Straßen, die einfach die Berge hochgebaut wurden (es gibt fast nie Schnee, von daher werden die Straßen einfach den Berg hochgebaut, es sind eigentlich Raketen-Abschussrampen!), deftiges Essen, Unmengen von Tee und Bier mit wenig Kohlensäure und nicht zuletzt entspannte, freundliche und witzige Leute.
Am Samstag, den 25.7.2009 flogen wir morgens mit einem nicht genannten Billigflieger von Berlin nach London Stansted. Das Problem mit Billigfliegern ist, daß sie nur dann billig sind, wenn man nur mit einer Zahnbürste verreist. Wenn man ein Rad mitnimmt, wird das ganze deutlich teurer. Aber was solls, es war ein Direktflug zum verkehrstechnisch günstigsten Flughafen Stansted (41 km Anfahrt zum Startort) und insgesamt war der Preis ok, also Schluß mit Jammern! Den Anreise-Tag und die Nacht verbrachten wir im Airport-Hotel, welches freundlicherweise unsere Radkoffer einlagerte. Dort kann man zu Fuß vom Flughafen mit dem Radkoffer auf dem Gepäcktrolley hingehen und das Rad zusammensetzen - superpraktisch! Ist natürlich nicht ganz billig, aber man gönnt sich ja sonst nichts! Den Abend verbrachten wir im Hotel-Restaurant, wo Nicole und Klaus Kinderportion-Nudeln zu Erwachsenen-Preisen verzehrten und ich meine große Pizza vor hungrigen Blicken mit Messer und Gabel verteidigte!. Der abendliche Blick auf den Wetterbericht bei BBC im Fernsehen verhieß nichts Gutes für die kommende Woche, wir waren also gewarnt. Klaus und ich waren der Meinung, daß uns nach P-B-P 2007 sowieso nichts erschüttern können würde.
Am Sonntag, den 26.7.2009 fuhren wir mit dem Rad (ohne Frühstück, auch wenn es Klaus schwer fiel!) 10 km zum nächsten Ort zur Bahnstation, wo ein Cafe extra für uns 1/2 Stunde früher aufmachte und wir ein leckeres englisches Frühstück verzehrten: Tee, Baked Beans on Toast, gebratene Tomate, gebratene Pilze und gebratender Schinken sowie ein Spiegelei ließen unseren Cholesterinspiegel in ungeahnte Höhen schnellen, machten jedoch angenehm satt und bereiteten uns auf die Strapazen der kommenden Tage vor. Thanks for the Breakfast, I know where you are, but I forgot your name!
In Cheshunt checkten wir ein, sahen klassische britsche Randonneurs-Räder, spacige Liegeräder, trafen Ingo aus Berlin und Ulf aus Sachsen und lernten Joachim mit seinem "Rusty Racer" kennen, einen netten Ostfriesen mit Selbstbau-Liegerad, zum Lackieren hat die Zeit nicht mehr gelangt.....
Der Start erfolgte 13:45 Uhr vom Bahnhofsvorplatz, und eine Meute von ca 50 Radfahrern machte sich auf den Weg gen Norden. An der ersten nennenswerten Steigung löste sich gleich Joachims Kette auf- ein Start nach Maß!! Es wurde wegen des Rückenwindes schnell gefahren (über 30 km/h Schnitt!) und jung und unerfahren wie wir waren fuhren wir die ganze Zeit mit! Nicole, Klaus, Ingo, Ulf und ich fuhren zusammen. Die Strecke war wunderschön, schmale englische country lanes mit Hecken rechts und links, die ganze Zeit auf und ab, schnuckelige kleine Dörfer, schmale hohe Brücken über kleine Flüsschen- Wunderschön! Das Wetter spielte noch mit, ab km 100 fing es aber an zu nieseln, und der Niesel wurde bald zu richtigem Regen. Scheiße! Als wir uns gegen 3 Uhr morgens in Thorne zum Schlafen hinlegten, hatten wir 321 km auf der Uhr und Wasser in den Schuhen.
Für diesen Husarenritt bekamen wir am Montag, den 27.7.2009 auch die Quittung: wir fuhren wie alte Männer (bis auf Ingo und Ulf, die hatten noch gute Beine und fuhren dann bald ohne uns weiter). Auch eine Gruppe Italiener , die sich von gestern erholte, schlich in unserem Tempo mit wie Danilo De Luca ohne Doping. Die Strecke wurde etwas ebener, bis kurz vor Coxwood nach 80 Tages-Km einige fiese Rampen auf uns warteten. Coxwood ist ein sehr schöner, malerisch gelegener Ort, und auch die Kontrolle ist sehr gemütlich und es gab wie überall leckeres Essen in ausreichenden Mengen. Bei jeder Kontrolle aß ich 2 Teller warmes Essen, obendrauf gab es noch lecker Nachtisch, Kuchen oder Flapjacks. Richtung Middleton Tyas (50km weiter) wurde es jetzt wieder etwas hügeliger, und meine Lebensgeister kehrten langsam aus dem Magen in die Beine zrurück. Unterwegs lernten wir noch den israelischen Brevet-Organisator Thal kennen, der alle Brevets und LEL auf einem Brompton-Faltrad fährt: Chapeux! Nach Middleton Tyas erklommen wir den höchsten Punkt der Strecke (Yad Moss 598m), bevor wir eine schöne Abfahrt nach Alsten hatten, wo wir mit Einbruch der Dunkelheit eintrafen. Wir waren an diesem Tag nur knapp 220 km gefahren, und die richtigen Berge würden erst noch kommen!
Am Dienstag, den 28.7.2009 standen wir gegen 5 Uhr auf und machten uns gut ausgeschlafen (6 Stunden Schlaf) auf die nächste Etappe. Nicole und KLaus fuhren ohne mich weiter, als ich meine eine Schuhplatte richten mußte, da sie sich verschoben hatte und ich Knöchelschmerzen bekam. Da Nicole und KLaus in der Ebene stärker sind als ich, ich dafür besser die Berge hochkomme, war das in Ordnung so, wir hätten uns sonst gegenseitig gebremst. Wir trafen uns in der nächsten Kontrolle in Eskdalemuir wieder, ich hatte die beiden fast eingeholt. Auf dem Weg nach Eskdalemuir hatte der Wind merklich aufgefrischt, ab Eskdalemuir schob er uns mit Nachdruck die Berge hoch, und ich dachte mit Schaudern an die Rückfahrt, wo wir uns gegen den Wind vorankämpfen mußten. Ich entwickelte mich zum Pannenkönig (insgesamt 6 Platte bei LEL) und Nicole und Klaus zogen an mir vorbei. Kurz vor Edinburgh hatte ich sie aber wieder. Joachim, der Rusty Racer kam mir entgegen, schon auf dem Rückweg von Edinburgh. In Edinburgh war mein Bagdrop, ich duschte und zog frische Radkleidung an. Die alte Kleidung stellte ich in die Ecke und faltete sie mit ein paar Handkantenschlägen zusammen. Nicole hatte mittlerweile ziehmlich starke Knieschmerzen, wollte aber unbedingt weiterfahren so lange es geht. Gegen 16 Uhr ging es aus Edinburgh zurück, und wir kämpften uns die ganzen Berge bei Gegenwind hoch und runter (Maximalgeschwindigkeit bergab 25 km/h!) Am Grdon Arms Hotel, einem Pub an einer Straßenkreuzung, sah ich gerade eine Regenfront über die Bergeauf mich zurollen, da konnte ich nicht wiederstehen (ich war gerade trocken!) und setzte mich in den Pub auf eine Kanne Tee, wo ich gleich mit den Gästen ins Gespräch kam. Nützte aber nichts, es ging raus in den Dauerregen und den Gegenwind (schon fast Sturm) und noch 40 km bis Eskdalemuir. 500 m vor dem Kontrollpunkt hatte ich noch einen Platten! Meine erste Überlegung war, nur kurz in Eskdalemuir zu bleiben, aber der Platte und der Dauerregeln belehrten mich eines besseren, außerdem wäre ich gegen die Strömung nicht die Berge hochgekommen. Die Kontrollstelle war überfüllt, die Feuchtigkeit tropfte von den Wänden (Kondenswasser!) die Betten waren ausgebucht, zum Glück hatte ich meinen Schlafsack dabei, mit dem ich mich in eine Ecke gelegt habe und eine Stunde schlief. Nicole und Klaus waren auch da, hatten aber noch ein Bett abbekommen. Tagesleistung: knapp 265 km, schon etwas besser als gestern!
Am Mittwoch, den 29.7 fuhren wir um 4 Uhr morgens im Dauerregen los. Der Regen hörte zum Glück nach knapp 2 Stunden auf, und wir erreichten nach 94 km wieder Alston, wo wir frühstückten ( 9 Uhr) und weiterfuhren über Yad Moss zurück. Der Dauerregen setzte wieder ein, ich hatte einen Platten mit Defekt am Mantel, leider hatte ich meinen Reservemantel schon aufgezogen und stand ohne Mantel im Regen. Chris, ein vorbeifahrender Kanadier, lieh mir seinen Rerserve-Mantel, so daß ich bis zur nächsten Kontrolle nach Middleton Tyas kam. Hier konnte ich neue Mäntel kaufen (25er statt 23) und Chris seinen Mantel zurückgeben (vielen Dank fürs Leihen!) Ich traf wieder Nicole und Klaus, und wir fuhren zusammen weiter. In Coxwood mussste Nicole leider wegen Kniebeschwerden aufgeben und mit dem Zug zurück nach London fahren, und Klaus und Ich fuhren alleine weiter in die Nacht bis Thorne. Unterwegs gabelten uns Thal und Peter (Deutsch-Kanadier) auf und wir ballerten mit 30km/h durch die Nacht. Es fühlte sich an wie 40 km/h, vor allem, als die Körner langsam zu Ende gingen. Mit letzter Kraft erreichten wir Thorne. 2 Stunden Nachtlager auf dem Fußboden sorgten für etwas Erholung für den nächsten Tag. Tagesleistung 310 km.
Am Donnerstag, den 30.7 fuhren wir gegen 6 Uhr weiter. Die Sonne kam raus, aber es wurde nicht richtig warm. Durch Lincoln, wo wir zum Glück uns an ortskundige Briten hängen konnten, kamen wir zur Kontrolle nach Washingborough, wo wir uns (mal wieder) voll fraßen und den nächsten Schauer aussaßen. Bis Thurlby gab es richtiges Aprilwetter: Blauer Himmel und Sonnenschein wechselten sich mit waagerecht anflutenden Gewittern und Schauern ab, die mühselig dem Wetter abgetrotzten trockenen Schuhe verwandelten sich wieder in Liliputaner-Badewannen, in denen das Wasser lustig hin und her schwappte beim Treten (das Quietsche-Entchen war wohl der Fußpilz...) Von Thurlby bis Gamlingay war tolles Wetter, es bildete sich eine schöne, internationale Gruppe: wir 2 Deutsche, ein Norweger, ein Brite mit Liegerad, Kanadier. Wir schnackten bei gemütlichen 20 km /h. Klaus und ich wurden für Vater und Sohn gehalten und ich auf 18 Jahre geschätzt! Wozu Schlafentzug nicht alles führt! In Gamglingay schliefen wir 2 Stunden und machten uns am Freitag, den 1.8 um 1 Uhr nachts auf die letzten km bis London. Klaus und ich fuhren zusammen mit einem Norweger (Name haber ich leider vergessen). Unser Plan war, vor dem Berufsverkehr im Ziel zu sein, und das klappte auch gut. Die Nacht blieb regenfrei und dank der sehr guten Routenbeschreibung haben wir uns auch nicht verfahren. Morgens um 5 Uhr waren wir dann im Ziel nach 111:30 Stunden! Km-Leistung 225 (Do) und 65 km (Fr).
Fazit: Tolle Veranstaltung! ein dickes Lob an die Organisatoren und die Helfer. Alle waren sehr freundlich und hilfsbereit, ob es Köche, Mechaniker, Organisatoren, Motorrad-Marshalls oder sonstige Helfer waren. Aber auch die Teilnehmer waren alle sehr freundlich und höflich, es gab keinerlei Drängelei an den Kontrollen und bei der Essensausgabe. Die Routenbeschreibung war klasse, die Landschaft und die Strecke wirklich schön.
Was lernen wir daraus für LEL 2013?
- Nie ein zu schnelles Tempo zu Beginn mitgehen, mal bezahlt dafür!
- Schlafsack mitnehmen
- 25er Reifen sind für Großbritannien die bessere Wahl wegen der teilweise sehr schlechten Straßen
- 34/27 als kleinste Übersetzung war für mich goldrichtig (brauche ich auch in den Alpen)
- konventionell gespeichte Laufräder mit 36 Speichen fahren (Stabilität, Ersatzteilversorgung)

persönliches Resumee:
LEL hat mir bedeutend besser gefallen als P-B-P: es ist familiärer (kein Schlangestehen an den Kontrollen), die Strecke ist schöner, es gab viel zu lachen, was auch an meinen besseren englischen Sprackenntnissen gelegen haben kann, es ist allerdings auch deutlich härter als P-B-P. Die Organisatoren und Helfer sind sehr freundlich und hilfsbereit und haben immer einen Scherz auf den Lippen. Das Wetter ist übrigens genauso schlecht wie bei P-B-P 2007....


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